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Andrea Delfin
Eine venezianische Novelle
Paul Heyse
In jener Gasse Venedigs, die den freundlichen Namen "Bella Cortesia"trägt, stand um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein einfaches,einstöckiges Bürgerhaus, über dessen niedrigem Portal, von zweigewundenen hölzernen Säulen und barockem Gesims eingerahmt, einMadonnenbild in der Nische thronte und ein ewiges Lämpchen bescheidenhinter rotem Glas hervorschimmerte. Trat man in den unteren Flur, sostand man am Fuße einer breiten, steilen Treppe, die ohne Windung zuden oberen Zimmern hinaufführte. Auch hier brannte Tag und Nacht eineLampe, die an blanken Kettchen von der Decke herabhing, da in dasInnere nur Tageslicht eindrang, wenn einmal die Haustür geöffnetwurde. Aber trotz dieser ewigen Dämmerung war die Treppe derLieblingsaufenthalt von Frau Giovanna Danieli, der Besitzerin desHauses, die seit dem Tode ihres Mannes mit ihrer einzigen TochterMarietta das ererbte Häuschen bewohnte und einige überflüssige Zimmeran ruhige Leute vermietete. Sie behauptete, die Tränen, die sie umihren lieben Mann geweint, hätten ihre Augen zu sehr geschwächt, umdas Sonnenlicht noch zu vertragen. Die Nachbarn aber sagten ihr nach,daß sie nur darum von Morgen bis Abend auf dem oberen Treppenabsatzihr Wesen treibe, um mit jedem, der aus- und einginge, anzubinden undihn nicht vorüberzulassen, eher er ihrer Neugier und Gesprächigkeitden Zoll entrichtet habe. Um die Zeit, wo wir sie kennen lernen,konnte dieser Grund sie schwerlich bewegen, den harten Sitz auf derTreppenstufe einem bequemen Sessel vorzuziehen. Es war im August desJahres 1762. Schon seit einem halben Jahr standen die Zimmer, die sievermietete, leer, und mit ihren Nachbarn verkehrte sie wenig. Dazuging es schon auf die Nacht, und ein Besuch um diese Zeit war ganzungewöhnlich. Dennoch saß die kleine Frau beharrlich auf ihrem Postenund sah nachdenklich in den leeren Flur hinab. Sie hatte ihr Kind zuBett geschickt und ein paar Kürbisse neben sich gelegt, um sie nochvor Schlafengehen auszukernen. Aber allerlei Gedanken undBetrachtungen waren ihr dazwischen gekommen. Ihre Hände ruhten imSchoß, ihr Kopf lehnte am Geländer, es war nicht das erste Mal, daßsie in dieser Stellung eingeschlafen war.
Sie war auch heute nahe daran, als drei langsame, aber nachdrücklicheSchläge an die Haustür sie plötzlich aufschreckten. Misericordia!sagte die Frau, indem sie aufstand, aber unbewegliche stehen blieb,was ist das? Hab' ich geträumt? Kann er es wirklich sein?
Sie horchte. Die Schläge mit dem Klopfer wiederholten sich. Nein,sagte sie, Orso ist es nicht. Das klang anders. Auch die Sbirrensind es nicht. Laß sehen, was der Himmel schickt.—Damit stieg sieschwerfällig hinunter und fragte durch die Tür, wer Einlaß begehre.
Eine Stimme antwortete: es stehe ein Fremder draußen, der hier eineWohnung suche. Das Haus sei ihm gut empfohlen; er hoffe, lange zubleiben und die Wirtin wohl zufrieden zu stellen. Das alles wurdehöflich und in gutem Venezianisch vorgetragen, so daß Frau Giovanna,trotz der späten Zeit, sich nicht bedachte, die Tür zu öffnen. DerAnblick ihres Gastes rechtfertigte ihr Vertrauen. Er trug, soviel siein der Dämmerung sehen konnte, die anständige schwarze Kleidung desniederen Bürgerstandes, e