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Aus der Schneegrube
Die Neuauflage des vorliegenden Buches stellt
das erste Werk einer neuen Bücherreihe dar, die
der Verlag unter dem Gesamttitel „Religion und
Weltanschauung“ herausgibt.
Wilhelm Bölsche
14. bis 18. Tausend
Dresden 1923
Carl Reißner
[S. VII]
Ist das Herz der modernen Naturforschung eine Schneegrube? Draußenlachender Frühling — und im Innern ein kalter Krater, in dem auch dannnur ein Stück Eiszeit dauert?
Ich habe in diesem Buche einmal von einem Besuch in den Schneegrubendes Riesengebirges gesprochen: wie da im Näherkommen die vermeintlicheSchneefläche sich als ein Teppich duftender weißer Blüten erwies.
Wird unsere Zeit diese weißen Blüten wiederfinden ...?
— — —
Je nachdem, denke ich, wie sich ihr Natur-Begriff allmählich feststelltund klärt.
Eine Anzahl Tagebuch-Blätter vereinige ich hier, die wenigstens aus demRingen um diese Frage geboren sind. Sie sind durchaus subjektiv, aberich tröste mich mit den schönen Worten, die Goethe einst als „Vorschlagzur Güte“ in seinen morphologischen Heften gesprochen hat.
„Die Natur gehört sich selbst an, Wesen dem Wesen; der Mensch gehörtihr, sie dem Menschen. Wer mit gesunden, offenen, freien Sinnen sichhineinfühlt, übt sein Recht aus, ebenso das frische Kind als derernsteste Betrachter ... Erfahren, schauen, beobachten, betrachten,verknüpfen, entdecken, erfinden sind Geistestätigkeiten, welchetausendfältig, einzeln und zusammengenommen, von mehr oder wenigerbegabten Menschen ausgeübt werden. Bemerken, sondern, zählen, messen,wägen sind gleichfalls große Hülfsmittel, durch welche der Menschdie Natur umfaßt und über sie Herr zu werden sucht, damit er zuletztalles zu seinem Nutzen verwende. Von diesen genannten sämtlichenWirksamkeiten und vielen anderen verschwisterten hat die gütigeMutter niemanden[S. VIII] ausgeschlossen. Ein Kind, ein Idiot macht wohl eineBemerkung, die dem Gewandtesten entgeht und eignet sich von dem großenGemeingut heiter, unbewußt, sein beschieden Teil zu.“
Während ich diese alten Sätze wieder einmal lese, lächelt mich derblühende Apfelbaum mit seinem weiß und roten Mädchenantlitz schalkhaftum die Giebelecke des kleinen Bauernhäusels an, in dem ich meineSommermonate im Gebirge verbringe. Die Rotschwänzchen, die unter demDach ihr Nest haben, fliegen aus und ein. Im Talgrund liegt ein blauesGewitter; die absteigende Bergwiese steht mit hartem