Anmerkungen zur Transkription
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von Paul Ernst
1913
Viertes bis sechstes Tausend
Bei Meyer & Jessen / Berlin
Es war in den Tagen, da Cosimo de Medicistarb, welcher der Vater des Vaterlandes genanntwurde, daß die Bürger von Florenz blindlings demWillen Savonarolas gehorchten. Wie das allesso gekommen, war keinem recht klar; Savonarolahatte schon lange von der Buße gepredigt und vondem Tage des Gerichtes, und allmählich hattenihm immer mehr Menschen geglaubt, zuerst dieFrauen und endlich auch die Männer. Nun zittertenalle, wenn sie dachten, daß er predigen würde, undwiewohl sie eine heftige Furcht vor seinen Wortenhatten, gingen sie doch zu jeder neuen Predigt, umjede neue Last aufzunehmen, die er ihnen aufladenwollte.
Auf der Piazza Signoria hatte er einen großenScheiterhaufen errichtet, zu dem brachte ein jeder,was ihm das Teuerste war, um es zu opfern. DerScheiterhaufen schwelte, und nur ab und zu kamenkleine Flammen an ihm hochgezüngelt. Der Wind2trieb den Rauch nach der Seite des Arno zu. Aufder anderen Seite stand auf einem Stuhl, der ihmals Rednertribüne gedient hatte, Savonarola. Erhatte die Arme vor dem Leib gekreuzt, die Händein den Ärmeln der weißen Kutte und sah mitseinen scharfen Blicken über die Menschen, die sichlautlos drängten.
Auf der Spitze des Scheiterhaufens war eingroßes Bild: eine Venus von Botticelli, inbreitem, geschnitztem Rahmen; aufrecht war esund wurde zufällig in seiner Lage gehalten durchdie regellos übereinandergeworfenen Gegenstände:eingelegte Tischchen, gold- und purpurgewebteKleider, Fläschchen aus Kristall, Bilder, schönbemalteKästchen, welche Schmuck enthielten, einegroße goldene Kette mit prächtiger Schaumünze,Bücher und, als Gabe eines ganz Armen, einelendes Bett.
So still war die Menge, daß man das Knistern,Knacken und Fauchen des Feuers hörte. Zuweilenteilte sie sich leise, und ein Mensch trat vor, deretwas zu dem Haufen warf.
So trat ein vornehmes Weib vor, das in derReife ihrer Schönheit stand mit etwa fünfunddreißigJahren, mit stolzem Nacken und festemGang. Sie löste sich eine Perlenkette vom Hals,küßte sie noch einmal und legte sie zu den Opfergaben.Ein Jüngling wendete sein Gesicht abund weinte, der erste Flaum färbte ihm dieWangen dunkler. Eine spitze Flamme kam plötzlichaus der Mitte des Scheiterhaufens weit heraus,einiges geriet ins Gleiten, das Venusbildschwankte und schlug dann um, gerade auf dieFlamme. Ein Mann seufzte tief auf, es warBotticelli selbst.
Cosimos Sterbebett stand in dem großen Saal,dessen drei rundbogige Fenster auf den Platz hinausgingen,denn er hatte Beklemmungen des Herzensund mußte einen großen Raum um sich empfinden.Unheimlich drang Unverständliches von unten zuihm und machte ihn unruhig; denn er hatteSavonarola geschont, um ihn gegen den Papstzu verwenden, aber fürchtete immer, daß er einenAufruhr entfachen werde.
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