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Wilhelm Meisters Wanderjahre—Buch 1oder die Entsagenden

Erstes Buch

Erstes Kapitel

Die Flucht nach Ägypten

Im Schatten eines mächtigen Felsen saß Wilhelm an grauser,bedeutender Stelle, wo sich der steile Gebirgsweg um eine Ecke herumschnell nach der Tiefe wendete. Die Sonne stand noch hoch underleuchtete die Gipfel der Fichten in den Felsengründen zu seinenFüßen. Er bemerkte eben etwas in seine Schreibtafel, als Felix, derumhergeklettert war, mit einem Stein in der Hand zu ihm kam. "Wienennt man diesen Stein, Vater?" sagte der Knabe.

"Ich weiß nicht", versetzte Wilhelm.

"Ist das wohl Gold, was darin so glänzt?" sagte jener.

"Es ist keins!" versetzte dieser, "und ich erinnere mich, daß es die
Leute Katzengold nennen."

"Katzengold!" sagte der Knabe lächelnd, "und warum?"

"Wahrscheinlich weil es falsch ist und man die Katzen auch fürfalsch hält."

"Das will ich mir merken", sagte der Sohn und steckte den Stein indie lederne Reisetasche, brachte jedoch sogleich etwas anderes hervorund fragte: "Was ist das?" —"Eine Frucht", versetzte der Vater, "undnach den Schuppen zu urteilen, sollte sie mit den Tannenzapfenverwandt sein."—"Das sieht nicht aus wie ein Zapfen, es ist ja rund."—"Wir wollen den Jäger fragen; die kennen den ganzen Wald und alleFrüchte, wissen zu säen, zu pflanzen und zu warten, dann lassen siedie Stämme wachsen und groß werden, wie sie können."—"Die Jägerwissen alles; gestern zeigte mir der Bote, wie ein Hirsch über den Weggegangen sei, er rief mich zurück und ließ mich die Fährte bemerken,wie er es nannte; ich war darüber weggesprungen, nun aber sah ichdeutlich ein paar Klauen eingedrückt; es mag ein großer Hirschgewesen sein."—"Ich hörte wohl, wie du den Boten ausfragtest."—"Derwußte viel und ist doch kein Jäger. Ich aber will ein Jäger werden.Es ist gar zu schön, den ganzen Tag im Walde zu sein und die Vögel zuhören, zu wissen, wie sie heißen, wo ihre Nester sind, wie man dieEier aushebt oder die Jungen, wie man sie füttert und wenn man dieAlten fängt: das ist gar zu lustig."

Kaum war dieses gesprochen, so zeigte sich den schroffen Weg herabeine sonderbare Erscheinung. Zwei Knaben, schön wie der Tag, infarbigen Jäckchen, die man eher für aufgebundene Hemdchen gehaltenhätte, sprangen einer nach dem andern herunter, und Wilhelm fandGelegenheit, sie näher zu betrachten, als sie vor ihm stutzten undeinen Augenblick stillhielten. Um des ältesten Haupt bewegten sichreiche blonde Locken, auf welche man zuerst blicken mußte, wenn manihn sah, und dann zogen seine klarblauen Augen den Blick an sich, dersich mit Gefallen über seine schöne Gestalt verlor. Der zweite, mehreinen Freund als einen Bruder vorstellend, war mit braunen undschlichten Haaren geziert, die ihm über die Schultern herabhingen undwovon der Widerschein sich in seinen Augen zu spiegeln schien.

Wilhelm hatte nicht Zeit, diese beiden sonderbaren und in derWildnis ganz unerwarteten Wesen näher zu betrachten, indem er einemännliche Stimme vernahm, welche um die Felsecke herum ernst, aberfreundlich herabrief. "Warum steht ihr stille? versperrt uns den Wegnicht!"

Wilhelm sah aufwärts, und hatten ihn die Kinder in Verwunderunggesetzt, so erfüllte ihn das, was ihm jetzt zu Augen kam, mitErstaunen. Ein derber, tüchtiger, nicht allzu großer junger Mann,leicht geschürzt, von brauner Haut und schwarzen Haaren, trat kräfti

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