Produced by Michalina Makowska

CANDIDA

Ein Mysterium in drei Akten

George Bernard Shaw

Übersetzt von Siegfried Trabitsch

PERSONEN

Pastor Jakob Morell
Candida, seine Frau
Burgess, ihr Vater
Alexander Mill, Unterpfarrer
Proserpina Garnett, Maschinenschreiberin
Eugen Marchbanks, ein junger Dichter

Ort der Handlung: Die St. Dominikpfarre, Viktoriapark, London E.

Zeit: Oktober 1894.

ERSTER AKT

(Ein schöner Oktobermorgen im nordöstlichen Viertel Londons. Indiesem ausgedehnten Bezirk sind die Seitengässchen viel wenigerschmal, schmutzig, übelriechend und stickig als in dem vieleMeilen entfernten London von Mayfair und St. James. Hier spieltsich besonders das unelegante Leben der Mittelklassen ab. Diebreiten, dichtbevölkerten Strassen sind mit hässlichen eisernenBedürfnisanstalten, radikalen Klubs und Trambahnlinien, auf denenKetten von gelben Wagen endlos einziehen, reichlich versehn. DochSind die Hauptverkehrsadern mit grasbewachsenen Vorgärtchen verziert,von denen man nur den kleinen Streifen betritt, der vom Pförtchen zurHaustür führt. Jene Strassen werden durch die stumm geduldeteEintönigkeit sich meilenweit erstreckender hässlicher Ziegelbauten,schwarzer Eisengitter, Steinpflaster und Schieferdächer arg entstellt.Anständig aber unmodern oder gemein und ärmlicb gekleidete Leute, diean dieses Viertel gewöhnt sind und sich zumeist in aufreibender Weisefür andere plagen müssen, ohne sich für ihre Arbeit zu interessieren,bilden ihre Bewohner. Das bisschen ihnen gebliebene Energie und Eifergipfelt in der Habgier des Londoner Cockneys und in der Begierde, ihrGeschäft vorwärts zu bringen. Selbst die Schutzleute und die Kapellensind nicht selten genug, die Eintönigkeit zu unterbrechen. Die Sonnescheint klar, es ist nicht neblig, und obgleich der Rauch sowohl dieGesichter und Hände als auch die Mauern aus Ziegelstein und Mörtelverhindert, frisch und rein zu sein, so ist er doch nicht schwarz undschwer genug, um einen Londoner zu belästigen.)

(Diese reizlose Wüste hat ihre Oase. Am äussersten Ende derHackneystrasse ist ein durch ein hölzernes Pfahlwerk abgeschlossenerPark von 270 Morgen angelegt. Er enthält Rasenplätze, Bäume, einenTeich zum Baden, Blumenbeete, die Triumphe der vielbewundertenCockney-Kunst der Teppichgärtnerei sind, und eine Sandgrube, dieursprünglich zur Belustigung der Kinder vom Meeresufer importiert,aber schleunigst verlassen wurde, als sie sich in eine natürlicheUngezieferbrutstätte für die ganz kleine Fauna von Kingsland,Hackney und Hoxton verwandelte. Ein Orchester, ein kleinesForum für religiöse, antireligiöse und politische Redner,Cricketplätze, ein Turnplatz und ein altmodischer Steinkiosk bilden dieHauptanziehungspunkte. Wo die Aussicht von Bäumen oder grünen Anhöhenbegrenzt wird, ist es ein hübscher Aufenthaltsort. Wo sich aber derBoden flach bis zu dem grauen Lattenzaun hinzieht und man Ziegel undMörtel, Reklameschilder, zusammengedrängte Schornsteine und Rauchgewahrt muss die Gegend (im Jahre 1894), trostlos und hässlich genanntwerden.)

(Die beste Aussicht auf den Viktoriapark gewinnt man von denFrontfenstern der St. Dominikpfarre; von dort sieht man auf keinerleiMauerwerk. Das Pfarrhaus steht halb frei, mit einem Vorgarten undeiner Vorhalle. Besucher benützen die Stufen, die auf die Verandaführen, Geschäftsleute und Familienmitglieder geben durch eine Türunterhalb der Treppe in das Erdgeschoß, wo ein Frühstückszimmer nachvorne liegt, das zu allen Mahlzeiten dient; die Küche liegt hinten.Oben, auf ein

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