Gerstäcker
3. Band
Bosse & Co., Hamburg
1914
Hugo von Silberglanz befand sich, als erGeorginen verließ, wirklich in einem außergewöhnlichenGrade von Aufregung, der nichtallein den Reizen des schönen Weibes, sondernauch noch seinen durch sie plötzlich überstürztenPlänen und Geschäften, wie all denVerwicklungen galt, in die er dadurch gezogenwerden konnte. Und was würde Baron Silberglanz'Vater dazu sagen, wenn er von diesemtollen Streiche des Barons Silberglanz'Sohn unglücklicherweise gehört hätte? Bah!das Unglück wäre zu ertragen gewesen; erwar jetzt Kavalier und mußte kavaliermäßighandeln – wenn es ihm auch ein paar Talerkostete – welchen Preis eroberte er außerdemnicht dabei für sich – einen Preis, um denihn die halbe Residenz beneiden würde! –Aber der Mann – wenn Monsieur Bertrand...
»Zühbig hat recht!« brummte er dabeileise vor sich hin, als er den Fahrweg entlangdem Dorfe zueilte, »sie sind keinesfallszusammen getraut – nur eine wilde Ehe, wiees bei der Art Leuten ja so häufig vorkommensoll, und dieser hochnäsige Graf Geyerstein hatsich die wunderschöne Reiterin hier ins warmeund bequeme Nest gesetzt. Dem aber gönn'ich den Aerger, wenn er erfährt, daß Hugovon Silberglanz, der verachtete, »der neugebackeneBaron«, mit seiner Beute durchgegangenist. Nur allein die Genugtuung wäre dasganze Abenteuer wert. – Und diese Georgine– ein göttliches Weib – ein wahrhaft göttlichesWeib! Ob sie mich nicht rein verrücktgemacht hat mit ihren Reizen? Und wieapropos bin ich hier zur rechten Zeit gekommen– das ist aber mein altes Glück! Glückmuß der Mensch haben, sagt mein Papa, undder Mensch hat Glück. Hm – ja – aberwohin? – Und was zerbreche ich mir nochden Kopf? Nach Paris – wollte ich doch nachParis und habe den Umweg nur über hiergemacht – jetzt reis' ich in Gesellschaft, undwas für Gesellschaft! Was liegt an den paar hundert Talern – und wenn's tausend wären!Hugo von Silberglanz ist nur einmal jung,und will auch sein Leben genießen wie andereKavaliere. Ein Geschäft bringt die ganze Sachezehnmal wieder ein.« Und mit dem Trostesich, teils der Kälte, teils seiner angenehmenEmpfindungen wegen, die Hände reibend, eilteer in das Dorf hinein, dessen erste Gebäudeer schon erreicht hatte.
Durch und durch Geschäftsmann, wurdees ihm hier nicht schwer, seine Rolle als Getreidehändlerzu spielen; aber zu wirklichenKäufen traf er, woran ihm übrigens auchnicht viel lag, keine günstige Zeit, da Baronvon Geyfeln, wie ihm die Bauern sagten, ebendeshalb verreist sei, um einen Handel für seinund ihr Getreide – wenn ihnen der Preisnämlich zusage – abzuschließen. Erst wolltensie deshalb einmal hören, was für Gebote erbekommen habe, ehe sie sich auf einen Handeleinließen – den Fall natürlich ausgenommen,daß ihnen hier ein sehr annehmbares Gebotgemacht würde. Von Silberglanz war abergar nicht geneigt, teuer einzukaufen, und unterdiesen Umständen ließ er sich nur das noch vorhandene Getreide zeigen, wog es auf einerWage, die er bei sich führte, und schrieb sichdie verschiedenen Namen der Bauern auf, umvielleicht später doch einmal, wie er sagte,einen Handel mit ihnen abzuschließen.
Vorher schon hatte er seinem Kutscher dienötigen Befehle gegeben, um Georginens Auftragauszuführen. Das versprochene Gepäckkam auch gegen Abend an, und am nächstenMorgen, lange vor Tage, war der Wagenschon unterwegs nach seinem Bestimmungsort,wobei der Kutscher freilich den Kopf schüttelte,daß er eine Kiste und ein paar