In unserem zu dem früher herzoglichen Schlosse gehörigen, seit Menschengedenkenaber ganz vernachlässigten „Schloßgarten“ waren schon in meinerKnabenzeit die einst im altfranzösischen Stile angelegten Hagebuchenhecken zudünnen, gespenstischen Alleen ausgewachsen; da sie indessen immerhin nocheinige Blätter tragen, so wissen wir Hiesigen, durch Laub der Bäume nichtverwöhnt, sie gleichwohl auch in dieser Form zu schätzen; und zumal von unsnachdenklichen Leuten wird immer der eine oder andre dort zu treffen sein. Wirpflegen dann unter dem dürftigen Schatten nach dem sogenannten„Berg“ zu wandern, einer kleinen Anhöhe in der nordwestlichen Eckedes Gartens oberhalb dem ausgetrockneten Bette eines Fischteiches, von wo ausder weitesten Aussicht nichts im Wege steht.
Die meisten mögen wohl nach Westen blicken, um sich an dem lichten Grün derMarschen und darüberhin an der Silberflut des Meeres zu ergötzen, auf welcherdas Schattenspiel der langgestreckten Insel schwimmt; meine Augen wendenunwillkürlich sich nach Norden, wo, kaum eine Meile fern, der graue spitzeKirchturm aus dem höher belegenen, aber öden Küstenlande aufsteigt; denn dortliegt eine von den Stätten meiner Jugend.
Der Pastorssohn aus jenem Dorfe besuchte mit mir die„Gelehrtenschule“ meiner Vaterstadt, und unzählige Male sind wir amSonnabendnachmittage zusammen dahinaus gewandert, um dann am Sonntagabend odermontags früh zu unserem Nepos oder später zu unserem Cicero nach der Stadtzurückzukehren. Es war damals auf der Mitte des Weges noch ein gut Stückungebrochener Heide übrig, wie sie sich einst nach der einen Seite bis fast zurStadt, nach der anderen ebenso gegen das Dorf erstreckt hatte. Hier summten aufden Blüten des duftenden Heidekrauts die Immen und weißgrauen Hummeln undrannte unter den dürren Stengeln desselben der schöne goldgrüne Laufkäfer; hierin den Duftwolken der Eriken und des harzigen Gagelstrauches schwebtenSchmetterlinge, die nirgends sonst zu finden waren. Mein ungeduldig demElternhause zustrebender Freund hatte oft seine liebe Not, seinen träumerischenGenossen durch all die Herrlichkeiten mit sich fortzubringen; hatten wir jedochdas angebaute Feld erreicht, dann ging es auch um desto munterer vorwärts, undbald, wenn wir nur erst den langen Sandweg hinaufwateten, erblickten wir auchschon über dem dunkeln Grün einer Fliederhecke den Giebel des Pastorhauses, ausdem das Studierzimmer des Pastors mit seinen kleinen blinden Fensterscheibenauf die bekannten Gäste hinabgrüßte.
Bei den Pastorsleuten, deren einziges Kind mein Freund war, hatten wirallezeit, wie wir hier zu sagen pflegen, fünf Quartier auf der Elle, ganzabgesehen von der wunderbaren Naturalverpflegung. Nur die Silberpappel, dereinzig hohe und also auch einzig verlockende Baum des Dorfes, welche ihreZweige ein gut Stück oberhalb des bemoosten Strohdaches rauschen ließ, wargleich dem Apfelbaum des Paradieses uns verboten und wurde daher nur heimlichvon uns erklettert; sonst war, soviel ich mich entsinne, alles erlaubt undwurde ja nach unserer Altersstufe bestens von uns ausgenutzt.
Der Hauptschauplatz unserer Taten war die große „Priesterkoppel“,zu der ein Pförtchen aus dem Garten führte. Hier wußten wir mit dem den Bubenangebotenen Instinkte die Nester der Lerchen und der Grauammern aufzuspüren,denen wir dann die wiederholtesten Besuche abstatteten, um nachzusehen, wieweit in den letzten zwei Stunden die Eier oder die Jungen nun gediehen seien;hier auf einer tiefen und, wie ich jetzt meine, nicht weniger als jene Pappelgefährlichen Wassergrube, deren Rand mit alten Weidenstümpfen dicht umstandenwar, fingen wir die flinken schwarzen Käfer, die wir„Wasserfranzosen“ nannten, oder lie