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Der letzte Zentaur

Paul Heyse

Novelle

(1904)

Vom Turm der Frauenkirche schlug es Mitternacht.

Ich kam aus einer Gesellschaft, in der man sich vergebens bemüht hatte,eine sehr lahme und trockene Unterhaltung mit gutem Wein in Fluß zubringen. Der Kopf war mir immer heißer geworden und das Herz immerkühler. Endlich hatte ich mich weggestohlen in den sommerwarmenMondschein hinaus und schlenderte ziellos durch die totenstille,taghelle Stadt, um den Unmut über die verlorenen Stunden verdampfen zulassen. Als ich an der ehrwürdigen Marienkirche vorbei durch dasFrauengäßchen in die Kaufingergasse trat, blieb ich plötzlich stehen.

Mir gegenüber lag, seine drei Stockwerke mit den dunklen Fenstern
gegen Mitternacht erhebend, ein wohlbekanntes Haus mit vorspringender
Ecke und einem blauen Laternchen über dem Eingang, in dem ich vor mehr
als einem Jahrzehnt manche unvergeßliche Nacht bei schlechterem
Getränk als heute, aber unter feurigeren Gesprächen zugebracht hatte.
Ich las die Inschrift über der zierlich geschnitzten, von zwei
Karyatiden gestützten Holzumrahmung des Torwegs: "Weinhandlung von
August Schimon".

Jawohl, sagte ich vor mich hin, die Zeiten wandeln sich und wir mitihnen! Das ist noch derselbe Name, der damals in jeder Woche unsreLosung war. Aber der ihn trug, der behäbige Mann mit dem schwarzenKraushaar und den verschmitzten kleinen Augen,—wo ist er hingekommen?Sein Glücksstern hatte nur über diesem Hause leuchten wollen. Als eres verließ, um in einem prachtvollen Hotel den Wirt zu machen, war esmit ihm rückwärts gegangen, bis zu einem traurigen Ende. SeineGutmütigkeit soll ihn in unglückliche Spekulationen anderer verwickelthaben, vielleicht auch ein phantastischer Zug zum Großen und Gewagten,den er mit einigen seiner Gäste gemein hatte. Er war eben einIdealist unter den Gastwirten, und sein Andenken ist mir teuergeblieben, trotz seiner Weine, auf die Freund Emanuel damals nach derMelodie des Dies irae die schöne Strophe dichtete:

Sed post Schimonense vinum
Malum venit matutinum,
Luctum quod vocant felinum!

Heutzutage, da die Erben das Geschäft fortsetzen, sollen die Weinesich bedeutend gebessert haben und der alten Firma Ehre machen. Aberkönnen die besten neuen Weine für die gute alte Gesellschaftentschädigen, die nun nicht mehr von ihnen trinkt und den trübenLethetrank oder selbst den Nektar der Unsterblichkeit gern hingäbe umein paar Flaschen jenes dunkelroten Ungarweines, den wir mitTodesverachtung und "festlich hoher Seele" so manchmal hier "demMorgen zugebracht"? Wie gern ließ' ich alles morgendliche Nachwehüber mich ergehen, könnt' ich noch einmal dich, teurer Genelli, hinterdem Tische in dem niedrigen leichtangerauchten Weinstübchen sitzensehen, die volle Unterlippe halb freudig, halb trotzig aufgeworfen,während eine göttliche Kinderfröhlichkeit dir aus den Augen blitzte!Damals warst du noch nicht Großherzoglich Weimarischer Professor undFalkenritter; du hattest noch nicht in dem Freiherrn von Schack denMäzen gefunden, der dich in den Stand setzte, die Entwürfe deinerJugend endli

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