Italienische Reise
Johann Wolfgang Goethe
Die Reise
Karlsbad bis auf den Brenner
Vom Brenner bis Verona
Verona bis Venedig
Venedig
Ferrara bis Rom
Rom
Neapel
Sizilien
Neapel
Italienische Reise-Teil 1
Johann Wolfgang von Goethe
Auch ich in Arkadien!
Karlsbad bis auf den Brenner
Den 3. September 1786.
Früh drei Uhr stahl ich mich aus Karlsbad, weil man mich sonst nichtfortgelassen hätte. Die Gesellschaft, die den achtundzwanzigstenAugust, meinen Geburtstag, auf eine sehr freundliche Weise feiernmochte, erwarb sich wohl dadurch ein Recht, mich festzuhalten; alleinhier war nicht länger zu säumen. Ich warf mich ganz allein, nur einenMantelsack und Dachsranzen aufpackend, in eine Postchaise und gelangtehalb acht Uhr nach Zwota, an einem schönen stillen Nebelmorgen. Dieobern Wolken streifig und wollig, die untern schwer. Mir schienen dasgute Anzeichen. Ich hoffte, nach einem so schlimmen Sommer einenguten Herbst zu genießen. Um zwölf in Eger, bei heißem Sonnenschein;und nun erinnerte ich mich, daß dieser Ort dieselbe Polhöhe habe wiemeine Vaterstadt, und ich freute mich, wieder einmal bei klarem Himmelunter dem funfzigsten Grade zu Mittag zu essen.
In Bayern stößt einem sogleich das Stift Waldsassenentgegen—köstliche Besitztümer der geistlichen Herren, die früher alsandere Menschen klug waren. Es liegt in einer Teller-, um nicht zusagen Kesseltiefe, in einem schönen Wiesengrunde, rings vonfruchtbaren sanften Anhöhen umgeben. Auch hat dieses Kloster im Landeweit umher Besitzungen. Der Boden ist aufgelöster Tonschiefer. DerQuarz, der sich in dieser Gebirgsart befindet und sich nicht auflöst,noch verwittert, macht das Feld locker und durchaus fruchtbar. Bisgegen Tirschenreuth steigt das Land noch. Die Wasser fließen einementgegen, nach der Eger und Elbe zu. Von Tirschenreuth an fällt esnun südwärts ab, und die Wasser laufen nach der Donau. Mir gibt essehr schnell einen Begriff von jeder Gegend, wenn ich bei demkleinsten Wasser forsche, wohin es läuft, zu welcher Flußregion esgehört. Man findet alsdann selbst in Gegenden, die man nichtübersehen kann, einen Zusammenhang der Berge und Täler gedankenweise.Vor gedachtem Ort beginnt die treffliche Chaussee von Granitsand; esläßt sich keine vollkommenere denken; denn da der aufgelöste Granitaus Kiesel und Tonerde besteht, so gibt das zugleich einen festenGrund und ein schönes Bindungsmittel, die Straße glatt wie eine Tennezu machen. Die Gegend, durch die sie geführt ist, sieht destoschlechter aus: gleichfalls Granitsand, flachliegend, moorig, und derschöne Weg desto erwünschter. Da nun zugleich das Land abfällt, sokömmt man fort mit unglaublicher Schnelle, die gegen den böhmischenSchneckengang recht absticht. Beiliegendes Blättchen benennt dieverschiedenen Stationen. Genug, ich war den andern Morgen um zehn Uhrin Regensburg und hatte also diese vierundzwanzig und eine halbe Meilein einunddreißig Stunden zurückgelegt. Da es anfing, Tag zu werden,befand ich mich zwischen Schwanendorf und Regenstauf, und nun bemerkteich die Veränderung des Ackerbodens ins Bessere. Es war nicht mehrVerwitterung des Gebirgs, sondern aufgeschwemmtes, gemischtes Erdreich.Den Regenfluß herauf hatte in uralten Zeiten Ebbe und Flut aus demDonautal in alle die Täler gewirkt, die gegenwärtig ihre Wasserdorthin ergießen, und so sind diese natürlichen Polder entstanden,worauf der Ackerbau gegründet ist. Diese Bemerkung gilt in derNachbarschaft aller größern und kleinern Flüsse, und mit diesemLeitfaden k