INHALT
ERSTER TEIL — (1903)
ZWEITER TEIL — Ein Vortrag (1907)
ANMERKUNGEN
ABBILDUNGEN
DIE SCHRIFTSTELLER WIRKEN DURCH WORTE ...
DIE BILDHAUER ABER DURCH TATEN.
POMPONIUS GAURICUS,
"DE SCULPTURA." (UM 1504.)
THE HERO IS HE WHO IS IMMOVABLY CENTRED.
EMERSON.
Rodin war einsam vor seinem Ruhme. Und der Ruhm, der kam, hat ihnvielleicht noch einsamer gemacht. Denn Ruhm ist schließlich nur derInbegriff aller Mißverständnisse, die sich um einen neuen Namen sammeln.
Es sind ihrer sehr viele um Rodin, und es wäre eine lange und mühsameAufgabe, sie aufzuklären. Es ist auch nicht nötig; sie stehen um denNamen, nicht um das Werk, das weit über dieses Namens Klang und Randhinausgewachsen und namenlos geworden ist, wie eine Ebene namenlos ist,oder ein Meer, das nur auf der Karte einen Namen hat, in den Büchernund bei den Menschen, in Wirklichkeit aber nur Weite ist, Bewegung undTiefe.
Dieses Werk, von dem hier zu reden ist, ist gewachsen seit Jahren undwächst an jedem Tage wie ein Wald und verliert keine Stunde. Man gehtunter seinen tausend Dingen umher, überwältigt von der Fülle der Fundeund Erfindungen, die es umfaßt, und man sieht sich unwillkürlich nachden zwei Händen um, aus denen diese Welt erwachsen ist. Man erinnertsich, wie klein Menschenhände sind, wie bald sie müde werden undwie wenig Zeit ihnen gegeben ist, sich zu regen. Und man verlangtdie Hände zu sehen, die gelebt haben wie hundert Hände, wie ein Volkvon Händen, das vor Sonnenaufgang sich erhob zum weiten Wege diesesWerkes, Man fragt nach dem, der diese Hände beherrscht. Wer ist dieserMann?[S. 8] Es ist ein Greis. Und sein Leben ist eines von denen, die sichnicht erzählen lassen. Dieses Leben hat begonnen, und es geht, esgeht tief in ein großes Alter hinein, und es ist für uns, als ob esvor vielen hundert Jahren vergangen wäre. Wir wissen nichts davon. Eswird eine Kindheit gehabt haben, irgendeine, eine Kindheit in Armut,dunkel, suchend und ungewiß. Und es hat diese Kindheit vielleichtnoch, denn—, sagt der heilige Augustinus einmal, wohin sollte siegegangen sein? Es hat vielleicht alle seine vergangenen Stunden, dieStunden der Erwartung und der Verlassenheit, die Stunden des Zweifelsund die langen Stunden der Not, es ist ein Leben, das nichts verlorenund vergessen hat, ein Leben, das sich versammelte, da es verging.Vielleicht, wir wissen nichts davon. Aber nur aus einem solchen Leben,glauben wir, kann eines solchen Wirkens Fülle und Überfluß entstandensein, nur ein solches Leben, in dem alles gleichzeitig ist und wach undnichts vergangen, kann jung und stark bleiben und sich immer wiederzu hohen Werken erheben. Es wird vielleicht eine Zeit kommen, da mandiesem Leben seine Geschichte erfinden wird, seine Verwickelungen,seine Episoden und Einzelheiten. Sie werden erfunden sein. Man wirdvon einem Kin