Neue Novellen

von

Elise Polko.

Leipzig,
Verlag von Bernhard Schlicke.
1861.

»Dem Verfasser des Werkes:
»Die Frauen in der Culturgeschichte«
dem
Oberbibliothekar und Hofrath
Herrn
Dr. G. Klemm
widmet diese »Frauennovellen«
in
herzlicher Verehrung
Elise Polko.

Inhaltsverzeichniss.

 Seite.
Vor hundertfünfzehn Jahren 17451
Elisabeth69
Czinka187

Vor
hundertfünfzehn Jahren.
1745.

(Ein Skizzenblatt.)

(1860.)

»Euer Stück, Lustspiel benannt, scheint mir inder That nicht übel, junger Freund«, ließ sich derhochberühmte und vielgelehrte Professor der Philosophieund Dichtkunst, Logik und Metaphysik, JohannChristoph Gottsched zu Leipzig, vernehmen, undwandte sich zu einem jungen Studenten, der anseinen Schreibtisch getreten war, während ein Andererin bescheidener Haltung an der Thür desStudirzimmers stehen geblieben. »Die Redeweiseist rein, die Figuren nicht verzeichnet, ich wüßtenichts Sonderliches gegen Euer Werk zu erinnern,nur muß ich Euch offen gestehn, daß mir ein Trauerspielallzeit angenehmer denn ein lustiges Stück,und so gefällt mir auch schon aus diesem Grundedas Machwerk Eures Freundes, so er »die Matrone zu Ephesus« benannt, weit besser. Auch schreitet esin Worten und Sätzen ruhig und feierlich einher,und ist ganz nach meinen Regeln aufgebaut, währendEuer Stück ohne rechten Zaum und Zügeldahinläuft. Nun ist aber, meines Bedünkens, erstein gesattelt und gezäumtes Roß zu JedermannsNutzen und Frommen da, während ein losledigesFüllen nur sich selber zum Vergnügen daherspringt.Damit Ihr Beide aber nicht die Meinung faßt, ichallein wolle mich zum Richter aufwerfen überEure Geisteskinder, so mögt Ihr Euch heute um diesechste Abendstunde in den Wohnstuben meiner Fraueinfinden. Daselbst wird sich ein Kreis hochgebildeterFrauen und Männer versammeln, denen Ihrselbst Eure Stücke vorlesen könnt. Bringt also EureManuscripte wieder mit und seid pünktlich hier!« –

Nach dieser Rede erhob sich der Gelehrte einklein Wenig von seinem Schreibschemel, grüßte mitder Hand, herablassend wie ein Fürst die beidenStudenten und setzte sich dann, ohne auf derenAbschiedsverbeugungen zu achten, zum Schreibenzurecht. – Die Thür des Arbeitszimmers schloßsich, und man hörte eine Weile Nichts als dasKnirschen der Feder, die über das Papier schlich,denn der Professor Gottsched pflegte so langsam zu schreiben als er redete. Er mochte jedoch kaum eineZeile zu Wege gebracht haben als die Thür sichwieder leise öffnete und ein schöner Frauenkopf hereinschaute.Dem Kopfe folgte eine hohe schlanke Gestalt,die etwas zagend auf den Schreibtisch z

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