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Eine vornehme Frau.
von
Hermann Heiberg.
1886
Seiner theuren Mutter,
Asta, geb. Gräfin von Baudissin
gewidmet.
Große, kleine Städte!
Wir sind in einer mittleren Stadt von kaum zwanzigtausend Einwohnern,immer noch winzig genug, daß alles, was nicht diente, hämmerte oderackerte, eine große Familie bildete, in der man sich kannte und sichmiteinander befaßte.
Und doch trennte sich die gebildete Gesellschaft in verschiedeneKlassen: und wie stets und überall hielt die eine sich aus besserem Teiggebacken als die andere.
Als der Krieg von 1866 beendet war, empfing die nunmehr preußische Stadteine Garnison; es wurden, neben Infanterie, einige Schwadronen Husarennach C. verlegt. Aber die Offiziersfamilien sonderten sich, zumal da sienoch Fremdlinge waren, gänzlich ab, und nur zu den höheren Beamten unddem Adel nahmen sie diejenige Fühlung, welche ihnen gleichsamvorgeschrieben war. Im übrigen konnte die Bürgerschaft mit derstehenden Einquartierung wohl zufrieden sein, denn unter den Husarenbefanden sich wohlhabende, sogar reiche Leute, welche das Geld nicht indie Schublade versteckten.
Die neuen Verhältnisse waren dem Städtchen günstig. Der Geschäftsgeistregte sich, und besonders die Bautätigkeit erwachte. Die Bürgerverdienten Geld und fanden sich rascher in die neuen Dinge, als manerwartet hatte.
Und so verging die Zeit mit ihrem Wechsel, und so lebte dieEinwohnerschaft mit ihrem Spott, ihrer Neugierde und ihrem Gerede überihre Nebenmenschen wie allerorten in dieser unvollkommenen Welt.
Eines Tages ward die Stadt C. durch eine Annonce überrascht, welche sichin dem täglich erscheinenden Blättchen, scharf umrändert und großgedruckt, auf der letzten Seite befand: „Gesucht sofort eine großeWohnung von zwölf bis fünfzehn Zimmern mit Stallung und Nebengelassen.Eventuell wird auf ein ganzes Haus reflektiert. Man beliebe sich—“u.s.w.
Die Neugierde, welche sich zunächst an den Stammtischen der Ressourcenkundgab, ward nicht sogleich befriedigt. Selbst der Redakteur derC.schen Zeitung wußte keine Auskunft zu geben. Endlich lösten sich dieZweifel. Einer der Husarenoffiziere war vor einiger Zeit versetztworden, und in dem Wohnungssuchenden entdeckte man den neuenRittmeister.
Zu gleicher Zeit verbreiteten sich allerlei Gerüchte über dieAnkömmlinge, welche geeignet waren, die Gemüter zu beschäftigen. Von ihmwurde behauptet, daß er zwar ein vollendeter Kavalier und ein gerechterVorgesetzter sei, aber von einer so finsteren Schwermut beherrschtwerde, daß er den Umgang mit Menschen ängstlich meide, während man ihrneben großer frappanter Schönheit Verschwendungs- und Vergnügungssucht,ja sogar einen leichtfertigen Lebenswandel nachsagte. ErheblicheErbschaften sollten schon durch ihre Finger geglitten sein, und es wardals ein Glück bezeichnet, daß sich der übrigens große Reichtum desGrafen auf unantastbare Fideikommißkapitalien stütze. Die Frau Gräfingliche, hieß es, einer heißbrennenden Sonne, vor welcher der eisigsteund umfangreichste Goldhügel zerschmelzen müsse.
In jedem Fall war man sehr gespannt auf die neue Bekanntschaft, und inOffizierskreisen ward eifrig überlegt, welche Stellung man zu einer Fraueinnehmen solle, der ein solcher Ruf voranging.
Sehr angenehm ward von diesem Wechsel ein Bauunternehmer berührt, dereine von einem parkähnlichen Garten umschlossene große Villa gleich vor