Die
Falkner vom Falkenhof

Roman von
Euf. v. Adlersfeld-Ballestrem

Fünfundzwanzigste Auflage

Zweiter Band


Verlag von Philipp Reclam jun. Leipzig

Alle Rechte vorbehalten

Gedruckt 1922 in der Druckerei von Philipp Reclam jun.
Leipzig

[II. (Fortsetzung)]

Doloreshatte in der letzten Nacht schwere, seltsame Träume.Ihr träumte, sie müßte gegen dichte wogende Nebelankämpfen in kalter Nacht auf einem unebnen, steinigen Wege,dessen scharfe Kanten ihre Füße verletzten. Endlich aber standsie vor einer undurchdringlich grauen Wand – sie wußte nicht,war's Nebel, war's ein Felsen, der den Weg versperrte.Rechts und links gähnten tiefe Abgründe, die ins Unendlichezu führen schienen, und als sie sich wendete, um zurück zugehen, da hatte ein rauschender Strom den Weg überschwemmtoder fortgerissen, so daß sie verloren schien. Und in der furchtbarenAngst, die sie befiel, klopfte sie an den Felsen wie aneine Thür. Und siehe da – die kahle graue Wand schiensich auseinander zu schieben, die Nebel schienen zu zerreißen,dünner und dünner zu werden, und endlich sah sie durch dieWand hindurch, und sah – sich in ihrem eignen Zimmersitzen. Aber sie war nicht allein. Ihr gegenüber hatte DoktorRuß Platz genommen. Der sprach eifrig in sie hinein – siehörte den musikalischen Ton seiner Stimme, aber sie verstandseine Worte nicht. Und er schob ein auf großem, weißemBogen entworfenes Schriftstück auf dem Tisch zu ihr hinüberund sie sah, wie sie selbst das Dokument ergriff, zerriß und in das Feuer warf, welches im Kamin brannte. Da erhobsich Doktor Ruß und drückte auf den Kopf der linken Kaminmantelfigurund der ganze Kamin drehte sich hinein in dieWand mitsamt dem Doktor Ruß wie ein Karussell, und alser wieder mit seiner Vorderseite erschien, war Doktor Rußverschwunden. Da begannen wieder Nebel zu ziehen über dasklare Bild – hastig, wie vom Sturm gejagt, und wiederzerrissen die grauen Wolken, und wieder sah Dolores sichselbst stehen im Dämmerlicht, im weißen Kleid, Hand in Handmit Alfred Falkner. Und der Ort, an dem sie standen, wardas Hexenloch unten im Park. Schwarz schimmerte dasscheinbar regungslose Wasser, geheimnisvoll flüsterten dieTannen und Buchen über ihren Häuptern, es webte in derstillen Abendluft seltsam und geheimnisvoll, und wo im Westender Park eine Lichtung hatte, schimmerte blutrot ein Streifenan der Stelle, wo die Sonne eben untergegangen war. UndAlfred Falkner ließ ihre Hände los und schritt durch dieLichtung dem Streifen entgegen. Da ward es ganz dunkel.Und es hob sie ein Etwas empor, und die Wasser des Hexenlochesschlugen über ihr zusammen, und es ward dunkel unddunkler um sie – –

Und als sie die Augen aufschlug, träumte ihr weiter, dasah sie sich langsam durch den Park schreiten, einen Briefin der Hand mit einem fremden Poststempel. Sie zerriß dasCouvert und begann den Brief zu lesen, aber während siedazu ihre Schritte anhielt, schlug etwas in das Briefblatt, siewußte nicht was, doch sie sah, daß ein erbsengroßes, rundesLoch mit versengten Rändern in dem Papier entstanden war.Und wieder ward es licht, und sie sah sich abermals selbst auf die Terrasse des Falkenhofes hinaustreten, wo FrauRuß und ihr Mann standen. Hinter ihr brachten Dienereinen fertig besetzten Theetisch, und alle nahmen Platz undDolores schenkte drei Tassen Thee ein. Da ka

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