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Die Liebe

Novelle
von
Hans Kaltneker


Donau Verlag
Ges. m. b. H.
Leipzig und Wien
1921

Alle Rechte vorbehalten,
insonders das der Übersetzung, der Dramatisierung
und der Verfilmung.
Copyright 1920, Donau Verlag Ges. m. b. H. Wien

Druck der Offizin der Waldheim-Eberle A. G., Wien

Die Liebe

Aber sie stärker und stärker zu prüfen,
Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen
Lust und Entsetzen und grimmige Pein.

Goethe »Der Gott und die Bajadere«

Aber ihr letztes Ziel wirkt die Liebe, die dastark ist wie der Tod. Und das ist, daß derMensch auch auf sein ewiges Leben Verzichtleistet und auf alles, was er von Gott und seinenGaben dereinst empfangen könnte.

Magister Ekkehart »Fortis est ut mors dilectio«

»Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich.«

Durch einen Regen verklärter Tränen brechen ihreBlicke und finden sich – ein schimmernder Bogen –Gesicht bindend an Gesicht.

»Dies – daß es sein kann –«

»Daß es nicht sein konnte!«

Worte gehen nicht gerade, aufrechte Boten schwebendenHerzschlags von einem zur andern, Worteschwanken, taumeln, sind Mantel um den nackten Gedanken,in den der Sturm fährt, ihn bauscht und knittert,und der Gedanke ist ein strahlender Gott. Wortesind Hall zwischen Himmel und Hölle, Ruf und Gegenrufzwischen dem Wächter unten und oben und die erdämmerndeNacht dröhnt leise von den Rufen derEngel.

Der Mann: »Irre – Suchen – immer nurdich –«

Die Frau: »Nie gesucht. Seligkeit, gefunden zuwerden, sich finden lassen. Ich wußte, wußte, daß dumich finden würdest. O Warten – Jahre desWartens –! Du warst noch weit, aber manchmalin Nächten fühlte dich näher nahen. Gläser klirrten vondeinem entfernten Schritt, Kerze flackerte in deinesentfernten Atems Wind und im Schlagen der Uhrmetallen donnernd dein Herzschlag. Unendliche Nächte.Ich, geborgen in der Wärme meines Bettes, fliederfarbenesDunkel leichter Decke über mir, warmer,süßer Schlaf meine Stirne umwehend –. Dawollte ich mir dich verdienen, opfern – Gott und dir– ein paar Schritte dir entgegenkommen auf deinemnoch so weiten Weg. Und stand auf, tief in der Nacht,ging mit bloßen Füßen sechs Schritte neben demTeppich über die kalten Parketten bis zur Türe. Undkonnte nun erst schlafen. Lachst du? Geliebter.«

»Das hast du für mich getan!«

»Für dich – für Gott – für dich

»Und hast nie gezweifelt?«

»Lebte ich noch?«

»Du lebtest mit einem andern! Mein waren dreiMinuten – des andern die Nacht –«

»Still, still du –«

Über seinen Augen liegt weiße Nacht, ihr Arm.Seine sinkenden Wimpern streifen ihre kühle, lebendigeHaut.

»Vor vier Jahren auf meiner Hochzeitsreise – inKairo – sah ich einen leprakranken Bettler im Finsterneines Torbogens kauern. Er wagte sich nicht mehrins Straßenlicht, sein Zerfall war so furchtbar, daßihn die Menschen gesteinigt hätten. Aber aus demDunkel züngelte sein Blick rot und hündisch über meineSchuhe. So schrecklich war dieser Mensch, daß ich hingehenmußte und ihn streicheln – mit dieser Hand

...

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