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Charaktere und Schicksale

Roman von Hermann Heiberg

Berlin 1901

„Du darfst nicht böse werden, wenn ich es sage, lieber Friedrich! Aberdaß du überhaupt auf solche Dinge Wert legst, ist mir bei deinensonstigen Anschauungen unverständlich. Du bemühst dich darum,Kommerzienrat zu werden, und jetzt gerätst du sogar für unsere Margareteauf ehrgeizige Gedanken. Was sollen wir mit einem Schwiegersohn ausdiesen Kreisen! — Ja, wenn er etwas wäre und besäße!“

Die Frau, die diese Worte an ihren Mann richtete, war die Gattin desBuchdruckereibesitzers und Zeitungsinhabers Friedrich Andreas Knoop. Siesaß ihrem Mann beim ersten Frühstück gegenüber, und schenkte ihm,während ihrer Rede, nicht nur den Kaffee in seine Tasse ein, sondernschob ihm auch — umsichtig für ihn besorgt — den Rahmguß und dieZuckerdose näher.

Während er sich aus beiden bediente, sagte er:

„Du hast recht, und du hast unrecht, Fanny! Vom allgemeinen,vernünftigen Standpunkt aus betrachtet, verrät ein Hinschielen nachOrden oder anderen Auszeichnungen keinen besonders erhabenen Geist Derin sich gefertigte, den tieferen Inhalt der Dinge erfassende Mensch legtauf solche Aeußerlichkeiten nicht nur keinen Wert, sondern überläßt dasHaschen danach denen, die glauben, daß sie dadurch in der Welt irgendein Spürchen mehr werden! Aber es giebt auch einen anderen Standpunkt!Von diesem aus lächelt man zwar im stillen über solchen Firlefanz,verschmäht ihn aber nicht, sondern thut etwas zu seiner Erlangung, weileben andere ihm eine Bedeutung beilegen. Daraus erwachsen für denGeschäftsmann in der Welt der Aeußerlichkeiten mancherlei erhebliche,indirekte und direkte materielle Vorteile.“

„Ich glaube es nicht, Friedrich. Ich glaube, ein Wertlegen auf Titel undOrden entspringt allezeit einer gewissen Eitelkeit, deren sich einwirklich ernsthafter Mann nicht schuldig machen sollte!“

„Na, und wenn's wirklich so wäre, — ist die Befriedigung unsrerEitelkeit nicht auch etwas? Woraus besteht unser Dasein? Wir sollen unsGlücksmomente verschaffen; wir sollen uns zum Ausgleich für die mit demLeben verbundenen Unfreundlichkeiten dasjenige für unsere Sinneherbeiholen, wodurch sie aufgerichtet werden, wodurch wir zu irgendeiner edlen oder angenehmen Gemütserhebung gelangen!“

Auf diese an sich durchaus verständige Betrachtung entgegnete Frau Knoopnichts; sie warf aber einen freundlichen Blick zu ihrem Manne hinüber.Wenn sie jemanden in solcher Weise anblickte, empfing das eine,überhaupt nur eine Thätigkeit ausübende Auge einen etwas stechendenAusdruck, und das erloschene andere schien wesentlich stärkerhervorzutreten.

Friedrich Knoop stammte aus der nordischen Landschaft Dithmarschen. Sein
Vater war dort Mühlenbesitzer gewesen, und Frau Fanny war aus der
nordischen Landschaft Schwansen, woselbst sich ihr Vater als Pastor im
Amte befunden hatte.

Knoop hatte sich zufolge großer Energie und Umsicht zu einem sehrreichen Mann emporgeschwungen, stand im sechzigsten Lebensjahr, undbesaß zwei Kinder: die erwähnte Margarete und einen Sohn, der zur Zeitin England war, um sich für die einstige Uebernahme des väterlichenGeschäfts noch weiter auszubilden.

Die Eheleute saßen, während sie sprachen, in einem Salon, der nach einemGarten führte und sich in einem hinteren Quergebäude befand, das zueinem mächtigen, in der Hauptstraße befindlichen Karree gehörte, in demsich sowohl die Geschäfts- wie auch diese Wohnräume des Chefs der Firmabefanden.

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