Produced by Michael Pullen.

Iphigenie auf Tauris.

Ein Schauspiel.

Johann Wolfgang von Goethe

Personen:

  Iphigenie.
  Thoas, König der Taurier.
  Orest.
  Pylades.
  Arkas.
  —
  Schauplatz: Hain vor Dianens Tempel

Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

  Iphigenie.
  Heraus in eure Schatten, rege Wipfel
  Des alten, heil'gen, dichtbelaubten Haines,
  Wie in der Göttin stilles Heiligthum
  Tret' ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl,
  Als wenn ich sie zum erstenmal beträte,
  Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher.
  So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen
  Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe;
  Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd.
  Denn ach mich trennt das Meer von den Geliebten,
  Und an dem Ufer steh' ich lange Tage
  Das Land der Griechen mit der Seele suchend;
  Und gegen meine Seufzer bringt die Welle
  Nur dumpfe Töne brausend mir herüber.
  Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern
  Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Gram
  Das nächste Glück vor seinen Lippen weg,
  Ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken
  Nach seines Vaters Hallen, wo die Sonne
  Zuerst den Himmel vor ihm aufschloss, wo
  Sich Mitgeborne spielend fest und fester
  Mit sanften Banden an einander knüpften,
  Ich rechte mit den Göttern nicht; allein
  Der Frauen Zustand ist beklagenswerth.
  Zu Haus und in dem Kriege herrscht der Mann
  Und in der Fremde weiß er sich zu helfen.
  Ihn freuet der Besitz; ihn krönt der Sieg!
  Ein ehrenvoller Tod ist ihm bereitet.
  Wie eng-gebunden ist des Weibes Glück!
  Schon einem rauhen Gatten zu gehorchen,
  Ist Pflicht und Trost; wie elend, wenn sie gar
  Ein feindlich Schicksal in die Ferne treibt!
  So hält mich Thoas hier, ein edler Mann,
  In ernsten, heil'gen Sklavenbanden fest.
  O wie beschämt gesteh' ich, daß ich dir
  Mit stillem Widerwillen diene, Göttin,
  Dir meiner Retterin! Mein Leben sollte
  Zu freiem Dienste dir gewidmet sein.
  Auch hab' ich stets auf dich gehofft und hoffe
  Noch jetzt auf dich, Diana, die du mich,
  Des größten Königes verstoßne Tochter,
  In deinen heil'gen sanften Arm genommen.
  Ja, Tochter Zeus, wenn du den hohen Mann,
  Den du, die Tochter fordernd, ängstigtest,
  Wenn du den göttergleichen Agamemnon,
  Der dir sein Liebstes zum Altare brachte,
  Von Troja's umgewandten Mauern rühmlich
  Nach seinem Vaterland zurück begleitet,
  Die Gattin ihm, Elektren und den Sohn,
  Die schönen Schätze, wohl erhalten hast;
  So gib auch mich den Meinen endlich wieder,
  Und rette mich, die du vom Tod errettet,
  Auch von dem Leben hier, dem zweiten Tode!

Zweiter Auftritt.

Iphigenie. Arkas.

  Arkas.
  Der König sendet mich hierher und beut
  Der Priesterin Dianens Gruß und Heil.
  Dieß ist der Tag, da Tauris seiner Göttin
  Für wunderbare neue Siege dankt.
  Ich eile vor dem König und dem Heer,
  Zu melden, daß er kommt und daß es naht.

  Iphigenie.
  Wir sind bereit sie würdig zu empfangen,
  Und unsre Göttin sieht willkommnem Opfer
  Von Thoas Hand mit Gnadenblick entgegen.

  Arkas.

...

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