LEIPZIG
KURT WOLFF VERLAG
1916
Gedruckt bei E. Haberland in Leipzig-R.
September 1916 als zweiunddreißigster Band
der Bücherei »Der jüngste Tag«
COPYRIGHT 1916 BY KURT WOLFF VERLAG • LEIPZIG
DER kleine absonderliche Zwischenfall ereignetesich, als Staatsminister Baron von Klumm ander Spitze einer größeren Gesellschaft hervorragenderDiplomaten das Palais des Repräsentantenhausesverließ.
Ein schmächtiger Mann drängte sich durch die Ketteder Wachleute, lief, allen sichtbar, sehr schnell oderüberpurzelte sich vielmehr die breite Prachttreppe hinauf,deren oberste Stufe der Minister eben betreten hatte,und fiel, oben angelangt, auf die Knie nieder, indemer ausrief: „Herr Minister, lassen Sie unseren FeindenGerechtigkeit widerfahren, und wir haben den Frieden!“
Baron von Klumm lächelte verbindlich und ohnejedwede Verlegenheit: „Sie heißen —?“
„Arthur Bruchfeß.“
„Und von Beruf sind Sie?“
Der Mann warf eine blonde Haarsträhne, die ihmbeim Laufen vornüber ins Gesicht gefallen war, ausder Stirne zurück: „Schornsteinfeger.“
„Mein lieber Herr Bruchfeß, und wenn Sie IhrenSchornsteinen Gerechtigkeit widerfahren lassen, werdensie Sie dann weniger anschwärzen?“
Da waren schon fünf, acht, fünfzehn Polizisten keuchendangelangt und legten ihre Hand auf den sehrverdutzt dreinschauenden Bittsteller.
Inmitten der zusammengedrängten Schar der Würdenträger,die aus erleichtert aufatmender Brust jetzt nachträglichden Ministerwitz bekicherte, war von Klummschon weiter hinabgeschritten.
Ein braun abgebrannter hagerer Greis trat an ihnheran, hinter ihm regten sich geschäftige Gesichter:„Die Information für die Presse.“
Der Minister blickte auf, sah einen Augenblick langzögernd umher.
Der Chef der Geheimpolizei erriet seine Überlegung:„O ja, man hat es allgemein gesehn und bemerkt.“
„Wurde von einem schwachsinnigen Individuumattackiert“ diktierte der Minister gleichsam in die Luft.„Sofort Wache. Schritt ein. Attentäter ins Irrenhausgebracht. Ärzte konstatieren. Staatsminister erledigtewie sonst seine Tagesgeschäfte. Meinen kleinen Scherznatürlich unterdrücken. Adieu, Herr Geheimrat.“ —
„Ich weiß nicht, was ich an Ihnen mehr bewundernsoll,“ sagte Herr von Crudenius, der Militärattaché einerverbündeten Macht, der bald hierauf mit Herrn vonK