von
Richard Rödiger
Tanzlehrer
Göttingen
Selbstverlag des Verfassers
Vielen an mich gerichteten Wünschen nachkommend, habe ich dieses Büchleinverfaßt, nicht um eine erschöpfende Darstellung dessen zu geben, was Sitteund Anstand fordern, sondern nur um meinen Schülern Gelegenheit zu bieten,später wieder nachzulesen, was ihnen während des Unterrichts gesagt undgelehrt wurde. Selbstverständlich habe ich mich möglichst kurz fassenmüssen, doch war ich bemüht, alles, was irgendwie nötig ist, zu berühren.Damit hoffe ich den Zweck zu erreichen, daß meine Schüler in zweifelhaftenFällen einen willkommenen Ratgeber und zuverlässigen Führer in diesemBüchlein finden mögen.
Göttingen, im September 1910.
Der Verfasser.
Was ist Anstand? Es ist das Benehmen, wie man es von einem gebildeten,gesitteten und taktvollen Menschen im Verkehr mit seinen Mitmenschenverlangt, entsprechend den durch Gewohnheit und Herkommen festgelegtenSitten und Gebräuchen. Diese Sitten und Gebräuche sind nun in den meistenLändern verschieden, je nach der Kulturstufe, die die Völker einnehmen. Jeweiter eine Nation in der Kultur vorgeschritten ist, um so viel feinerausgebildet ist auch ihr Gefühl für Anstand und gute Sitte und ihrdementsprechendes Benehmen. Es ist daher Pflicht eines jeden, durch seineigenes Betragen dahin mitzuwirken, daß seine Nation als auf der höchstenStufe der Kultur stehend sich vor der Welt zeige. Ich will nun nicht vonden verschiedenen Sitten der Kulturvölker sprechen, sondern mich aufdiejenigen beschränken, die uns selbst, unser Vaterland berühren. Ichmöchte vor allen Dingen vier Haupttugenden als die Grundlage jeder gutenSitte besonders hervorheben: 1. Sittsamkeit, 2. Höflichkeit,3. Dankbarkeit, 4. Bescheidenheit. Man nehme sich zur Richtschnur, zweikleine Worte stets zu gebrauch