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Buchumschlag

Die
Stadt ohne Juden

Ein Roman von übermorgen

Von
Hugo Bettauer

Gloriette-Verlag, Wien

Alle Rechte vorbehalten

Copyright by Gloriette-Verlag, Vienna 1922

Umschlag-Entwurf von Martha v. Wagner-Schidrowitz

Dritte Auflage. 11.–15. Tausend

Erster Teil.

Von der Universität bis zur Bellaria umlagerte dasschöne, ruhige und vornehme Parlamentsgebäudeeine einzige Menschenmauer. Ganz Wien schiensich an diesem Junitag um die zehnte Vormittagsstundeversammelt zu haben, um dort zu sein, wo sich einhistorisches Ereignis von unabsehbarer Tragweite abspielensollte. Bürger und Arbeiter, Damen und Frauen aus demVolke, halbwüchsige Burschen und Greise, junge Mädchen,kleine Kinder, Kranke in Rollwagen, alles quoll durcheinander,schrie, politisierte und schwitzte. Und immer wiederfand sich ein Begeisterter, der plötzlich an den Kreis umihn herum eine Ansprache hielt und immer wieder brausteder Ruf auf:

»Hinaus mit den Juden!«

Sonst pflegten bei ähnlichen Demonstrationen hierund dort Leute mit gebogener Nase oder besondersschwarzem Haar weidlich verprügelt zu werden; diesmalkam es zu keinem solchen Zwischenfall, denn Jüdisches warweit und breit nicht zu sehen, und zudem hatten die Kaffeehäuserund Bankgeschäfte am Franzens- und Schottenring,in weiser Erkenntnis aller Möglichkeiten, ihre Pforten geschlossenund die Rollbalken herabgezogen.

Plötzlich zerriß ein einziges Aufbrüllen die Luft.

»Hoch Doktor Karl Schwertfeger, hoch, hoch, hoch! Hochder Befreier Oesterreichs!«

Ein offenes Auto fuhr langsam mitten durch dieMenschenmassen hindurch, die zurückdrängten und Bahnmachten. Im Auto saß ein großer älterer Herr, dessenmächtiger Schädel mit willkürlichen Büscheln weißer Haarebedeckt war.

Er nahm den grauen, weichen Schlapphut ab, nickteder jubelnden Menschenmenge zu und verzerrte das Gesichtzu einem Lächeln. Aber es war ein saures Lächeln, das vonden zwei Falten, die von den Mundwinkeln abwärts liefen,gewissermaßen dementiert wurde. Und die tiefliegendengrauen Augen blickten eher finster als vergnügt drein.

Lachende Mädchen drängten sich vor, schwangen sichauf das Trittbrett, die eine warf dem Gefeierten Blumenzu, eine andere war noch dreister, schlang ihren Arm umseinen Hals und küßte den Doktor Schwertfeger auf dieWange. Als ob der Chauffeur

...

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