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Die Einsamen

Paul Heyse

(1857)

Mehrere Tage lang hatten heftige Südstürme das Meer erschüttert, aufdem hohen Felsenufer Sorrents mit Frühlingsungestüm den Saft in denFeigenbäumen aufgerüttelt und den Boden mit fruchtbaren Regenschauerngepflügt. Manche wollten ein gärendes Murren im Innern des Vesuvvernommen haben und weissagten einen nahen Ausbruch. Auch schienenöfters die Häuser bis in die Grundfesten zu wanken, und nachts hörteman ein drohendes Klirren der Geräte, die im Schrank nahe beieinanderstanden. Als aber am letzten April die Sonne endlich über den AufruhrHerr wurde, standen die kleinen Städte auf der Ebene von Sorrentunversehrt zwischen ihren Wein- und Orangengärten, der Felsengrundhatte sich nicht aufgetan, sie zu verschlingen, und dem tosenden Meerwar das Ufer dennoch zu hoch gewesen, um hinaufbrandend alles, wasMenschen seit Jahrhunderten gepflanzt, in die Tiefe zu reißen.

Am Nachmittage dieses letzten April, der zugleich ein Sonntag war,verließ ein deutscher Poet—sein Name tut nichts zur Sache—das Haus,in dem er sehr wider seine Neigung durch den Sturm war gefangengehalten worden. Tagelang hatte er vom Fenster aus über das Meergestarrt, den Mantel um die Knie geschlagen, denn der Steinbodenseines Zimmers hauchte eine empfindliche Kälte aus, den Hut auf demKopf, ein Glas Wein nach dem anderen hinabschlürfend, ohne einWärmegefühl in sich erwecken zu können. Der kleine Büchervorrat, derihn auf der Reise begleitete, war in Neapel zurückgeblieben, und imHause seines Wirts war außer dem Kalender und einem Meßbuch keingedrucktes Blatt aufzutreiben. Wie oft hatte er sich vermessen, daßihn in der Einsamkeit Langeweile nie anwandeln solle. Aber so vielund sehnsüchtig er die Muse zur Gesellschaft heranflehte, der Windverschlang seinen Ruf, und die Kälte ließ endlich keinen anderenGedanken in ihm aufkommen als den Wunsch, die Sonne wiederzusehen.

Sie war denn auch durchgebrochen, und er hatte die Hälfte diesesgesegneten Tages redlich damit verbracht, auf dem Altan sitzend siesich auf die Haut scheinen zu lassen. Und als er vollends nach Tischeden Bergweg hinaufstieg, wurden alle erstarrten Gefühle in ihm mitMacht wieder lebendig. So groß, so golden und gewaltig hatte er diesiegreiche Frühlingssonne nie gesehen, so erfrischend war ihm derHauch des Meeres nie ins Mark gedrungen. Diese Blätter da an denFeigenbäumen waren in einer Nacht fingerlang hervorgeschossen. DieBüsche dort hat die Sonne eines halben Tages in weiße Blüten gebracht.Und wo nur der Wanderer, vom Duft gelockt, den Boden näher untersucht,dunkeln ihm unabsehliche Veilchenbeete entgegen. Die Luft wimmeltvon Schmetterlingen, die nicht älter sind als dieser Tag; alle Pfaderingsum sind von Menschen zu Fuß oder in sausenden kleinen Wagenbelebt. Dazu die Glockenstimmen der Kirchen und Kapellen auf vierStunden Wegs, das Jauchzen der Burschen, die bergan zogen, um einKirchenfest in Sant' Agata, einem Dorfe auf dem Grat des Berges,mitzufeiern, und die langgezogenen Ritornelle der Weiber, die Hand inHand zur Vesper wandelten, oder auf den sonnigen Dächern stehend insMeer hinausblickten.

Je weiter der Deutsche, einer mäßig ansteigenden Straße folgend, sichdem Feiertagsjubel entzog, desto mehr beklemmte es ihm das Herz, daß

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