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Cover

Graf Leo Tolstoi

Roman einer Ehe

Deutsch

von

Alexander Eliasberg

Signet

O. C. Recht Verlag München


Copyright by O. C. Recht Verlag München 1921

Viertes bis siebentes Tausend

Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig


[1]

Erster Teil.

I

Wir trugen Trauer um unsere Mutter, die im Herbstegestorben war. Den ganzen Winter verlebten wir, Katja,Ssonja und ich, auf dem Lande.

Katja war eine alte Freundin unseres Hauses, unsereGouvernante, die uns alle großgezogen hatte, und die ichkannte und liebte, seit ich mich meiner überhaupt erinnere.Ssonja war meine jüngere Schwester. Wir verlebten einendüsteren und traurigen Winter in unserem alten Hause zuPokrowskoje. Das Wetter war kalt, und der Wind hattedie Schneewehen bis über die Fensterhöhe herangefegt; dieFenster waren immer vereist und undurchsichtig, und wirgingen und fuhren fast den ganzen Winter nicht aus. Nurselten kam jemand zu uns, und wenn auch jemand kam, sobrachte er uns weder Fröhlichkeit noch Freude ins Haus.Alle hatten traurige Mienen, alle sprachen so leise, alsfürchteten sie, jemand zu wecken, niemand lachte, alle seufztenund weinten oft, wenn sie mich und besonders die kleineSsonja in ihrem schwarzen Kleidchen ansahen. Im Hauseließ sich noch die Gegenwart des Todes spüren; Trauerund Todesgrauen erfüllten die Luft. Mamas Zimmer wargeschlossen, und es war mir unheimlich zumute, und ichfühlte mich zugleich hingezogen, in dieses kalte und leere[2]Zimmer hineinzublicken, sooft ich auf dem Wege nachmeinem Schlafzimmer vorbeimußte.

Ich war damals siebzehn Jahre alt, und Mama hattenoch im gleichen Jahre, als sie starb, die Absicht gehabt,in die Stadt zu übersiedeln, um mich in die Gesellschafteinzuführen. Der Verlust meiner Mutter bedeutete fürmich einen schweren Kummer, aber zu diesem Gefühl geselltesich, ich muß es gestehen, auch noch der Gram darüber,daß ich, die ich, wie mir alle sagten, jung und hübschwar, schon den zweiten Winter in der ländlichen Einödenutzlos verbringen mußte. Kurz vor dem Ende des Winterssteigerte sich das Gefühl der Trauer, der Einsamkeitund auch der gewöhnlichen Langweile dermaßen, daß ichmein Zimmer nicht mehr verließ, mein Klavier nicht mehröffnete und kein Buch in die Hand nahm. Wenn Katjamir zuredete, ich solle das eine oder andere beginnen, soantwortete ich ihr: »Ich habe keine Lust, ich kann nicht!«In meinem Herzen regte sich aber die Frage: – Wozu?Warum soll ich etwas beginnen, wenn meine beste Zeitunnütz dahingeht? Wozu? – Und auf dieses »Wozu« gabes keine andere Antwort als Tränen.

Man sagte mir, ich sei während dieser Zeit mager gewordenund hätte viel von meiner Schönheit eingebüßt,aber auch das interessierte mich nicht.

...

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