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UNTERSUCHUNGEN ÜBER GOETHES FAUST IN SEINER ÄLTESTENGESTALT.


I. DER ERSTE MONOLOG UND DIE ERDGEISTSCENE.

INAUGURAL-DISSERTATION ZUR ERLANGUNG DER DOCTORWÜRDE BEIDER HOHEN PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER GROSSH.LUDEWIGS-UNIVERSITÄT GIESSEN

EINGEREICHT VON J. COLLIN.

GIESSEN, 1892.


VORBEMERKUNG.

Zuletzt sind die Verdienste sein und unser sind die Fehler.

(Hebbel im Prolog zu Goethes hundertjährigerGeburtstagsfeier.)


Durch die Auffindung der Göchhausenschen Abschrift desFaust ist für die Faustforschung ein fester Boden geschaffenworden. Wir haben jetzt einen bestimmten Bestand von Scenen voruns, von denen wir wissen, daß sie vollendet waren, alsGoethe Ende 1775 nach Weimar kam. Nicht ausgeschlossen istallerdings, daß nicht auch noch anderes, Entworfenes, kurzAngedeutetes, vielleicht gar mehr oder weniger Ausgeführtes injener eigentümlichen Urhandschrift vorhanden war, die Goethean der bekannten Stelle seiner Italienischen Reise unter dem 1.März 1788 beschreibt[1]. Mandarf wohl als sicher annehmen, daß dieses Manuscript derAbschreiberin nicht zugänglich war, sondern ihr eben auch nureine Abschrift vorlag, die der Dichter daraus zum Vorlesen oder zurVerbreitung in Freundeskreisen angefertigt hatte, wobeinatürlich nur ausgeführte Scenen aufgenommen wurden.

Aber noch einen anderen Gewinn hat Erich Schmidts Fund unsgebracht. Ein glücklicher Zufall macht es hier einmalmöglich, auf die bis dahin geübte Faustforschung dieProbe zu machen. Dabei hat sich denn für jeden, der sich nichtdagegen verblendet, ergeben, daß die Methode dieser Forschungeiner gründlichen Nachprüfung bedürfe. Man hatteohne weiteres eine anderswo beliebte, schon an und für sichbedenkliche Methode auf den Faust angewandt und mit ihr, sehr wenigim Geiste des Dichters, dem ein Zerteilen und Zerstückeln ganzund gar nicht gemäß war, sein Werk, das ja allerdingsmit doppelter Unterbrechung zu verschiedenen Zeiten begonnen,weitergeführt und vollendet worden ist, noch außerdem inverschiedene, angeblich nicht zusammengehörige Teilezerrissen. Die ganze Einseitigkeit dieses Verfahrens offenbart sichbesonders in der Art, wie z.B. Scherer den Eingangsmonologzerpflückt.

Wir sind nun belehrt, daß wir ein Gedicht noch von anderenGesichtspunkten aus betrachten müssen als denäußerlichen des Stils und des Metrums, daß wirtiefer und liebevoller in den Gedankengang des Dichters eindringenmüssen und nicht sofort, wenn uns das Verständnis einerStelle oder des Zusammenhangs nicht klar entgegentritt, es demDichter zurechnen und Widersprüche, aufgegebene Pläneu.a.m. annehmen dürfen. Erst durch tiefes Eindringen in dasKunstwerk ist aus ihm selbst die Methode seiner Betrachtung undErklärung zu gewinnen: es ist verfehlt, irgend eine anderswozu entnehmen und sie, ohne die Eigenart des Werkes zu beachten,darauf zu übertragen.

Im folgenden soll der Versuch gemacht werden, den ältestenFaust auf seinen Gedankengehalt zu prüfen, ihn mit denübrigen Werken des Dichters und sonstigenÄußerungen seines Geistes aus jenen Jahren in Verbindungzu setzen und so einen Überblick über die geistigeEntwicklung des jungen Goethe zu gewinnen.

Von hier aus wird sich denn die Möglichkeit ergeben, dieEntstehungszeit der einzelnen Scenen näher zu bestimmen, vorallem aber hineinzublicken in das schöpferische Innere desDichters, um ihn bei dem Schaffen seiner Gestalten zu belauschen.Was so

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