Umwege

Erzählungen
von
Hermann Hesse

S. Fischer, Verlag, Berlin
1912

Signet

Neunte Auflage.
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.
Copyright 1912 S. Fischer, Verlag, Berlin.

Inhalt

Ladidel9
Die Heimkehr88
Der Weltverbesserer149
Emil Kolb211
Pater Matthias265

Erstes Kapitel

Der junge Herr Alfred Ladidel wußte von Kind auf dasLeben leicht zu nehmen. Es war sein Wunsch gewesen,sich den höheren Studien zu widmen, doch als er miteiniger Verspätung die zu den oberen Gymnasialklassenführende Prüfung nur notdürftig bestanden hatte, entschloßer sich nicht allzuschwer, dem Rat seiner Lehrer und Elternzu folgen und auf diese Laufbahn zu verzichten. Und kaumwar dies geschehen und er als Lehrling in der Schreibstubeeines Notars untergebracht, so lernte er einsehen,wie sehr Studententum und Wissenschaft doch meist überschätztwerden und wie wenig der wahre Wert eines Mannesvon bestandenen Prüfungen und akademischen Semesternabhänge. Gar bald schlug diese Ansicht Wurzel in ihm,überwältigte sein Gedächtnis und veranlaßte ihn manchmalunter Kollegen zu erzählen, wie er nach reiflichemÜberlegen gegen den Wunsch der Lehrer diese scheinbareinfachere Laufbahn erwählt habe, und daß dies der klügsteund wertvollste Entschluß seines Lebens gewesen sei, wenner ihn auch ein beträchtliches Opfer gekostet habe. SeinenAltersgenossen, die in der Schule geblieben waren unddie er jeden Tag mit ihren Büchermappen auf der Gasseantraf, nickte er mit Herablassung zu und freute sich, wenner sie vor ihren Lehrern die Hüte ziehen sah, was er selberlängst nimmer tat. Tagsüber stand er geduldig unter demRegiment seines Notars, der es den Anfängern nicht leichtmachte, und eignete sich mit Geschick manche liebliche undstattliche Kontorgewohnheit an, die ihn freute, zierte undschon jetzt äußerlich den älteren Kollegen gleichstellte. AmAbend übte er mit Kameraden die Kunst des Zigarrenrauchensund des sorglosen Flanierens durch die Gassen,auch trank er im Notfall unter seinesgleichen ein Glas Bierschon mit Anmut und nachlässiger Ruhe, obwohl er seinevon der Mama erbettelten Taschengelder lieber zum Konditortrug, wie er denn auch im Kontor, wenn die andernzur Vesper ein Butterbrot mit Most genossen, stets etwasSüßes verzehrte, sei es nun an schmalen Tagen nur einBrötchen mit Eingemachtem oder in reichlichern Zeitenein Mohrenkopf, Butterteiggipfel oder Makrönchen.

Indessen hatte er seine erste Lehrzeit abgebüßt und warmit Stolz nach der Hauptstadt verzogen, wo es ihm überauswohl gefiel. Erst hier kam der höhere Schwung seinerNatur zur vollen Entfaltung, und wenn er bisher immernoch eine Sehnsucht und heimliche Begierde in sich getragenhatte, so gedieh nun sein Wesen völlig zu Glanzund heiterem Glücke. Schon früher hatte sich der Jünglingzu den schönen Künsten hingezogen gefühlt und imStillen nach Schönheit und Ruhm Begierde getragen.Jetzt galt er unter seinen jüngeren Koll

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